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Denkmal für einen Deserteur

Nur Deserteure sind Helden

Die Initiative zum Bau eines Denkmals für den UnbekanntenWehrmachtssoldaten in Oppeln ging vor einigen Jahren von demverstorbenen Bruno Kosak aus, der Mitglied verschiedener Gremien derdeutschen Minderheit und Mitglied des Sejm war. Leiderist es ihm nichtgelungen, diese Pläne zu verwirklichen. Daher beschloss der Vorstanddes Eichendorff-Konversatoriums, auf seine Idee zurückzukommen. DieIdee von Bruno Kosak war nicht neu. In der BundesrepublikDeutschland sind in den letzten 30 Jahren mehrere Dutzend solcherDenkmäler errichtet worden.

Nur Deserteure sind Helden

Die Initiative zum Bau eines Denkmals für den UnbekanntenWehrmachtssoldaten in Oppeln ging vor einigen Jahren von demverstorbenen Bruno Kosak aus, der Mitglied verschiedener Gremien derdeutschen Minderheit und Mitglied des Sejm war. Leiderist es ihm nichtgelungen, diese Pläne zu verwirklichen. Daher beschloss der Vorstanddes Eichendorff-Konversatoriums, auf seine Idee zurückzukommen. DieIdee von Bruno Kosak war nicht neu. In der BundesrepublikDeutschland sind in den letzten 30 Jahren mehrere Dutzend solcherDenkmäler errichtet worden. Die meisten von ihnen wurden von LudwigBaumann, dem Vorsitzenden der Wehrmacht-Militärgerichtsbarkeitsopfer-Vereinigung, initiiert, der 2108 verstarb.Solche Denkmäler stehen unter anderem in den Zentren von Städtenwie Berlin, Köln, Bonn und Ulm.

Die Wehrmacht führte einen verbrecherischen Krieg, sie hatteverbrecherische Ziele. Ein großer Teil der Wehrmachtssoldaten wardirekt an diesen Verbrechen beteiligt, und nur sehr wenige haben dasRecht zu behaupten, dass sie nichts von den abscheulichen Tatenwussten. Die jenigen, die den Nazis dienten, taten dies aus Dummheit,falsch verstandenem Patriotismus, Gedankenlosigkeit und vor allem ausFurcht vor dem Terror des nationalsozialistischen Justizsystems.Diejenigen, die aus Überzeugung daran teilgenommen haben, sindüberhaupt nicht erwähnenswert, weil sie eine verdiente Strafe erfuhren.Es ist eher bedauerlich, da nicht alle NS Aktivisten bestraft wurden. Abernicht alle Wehrmachtssoldaten waren bereit, sich an den Verbrechendes Regimes zu beteiligen. Ein ernsthafter Teil von ihnen hatte den Mut,sich der NS Herrschaft aktiv zu widersetzen. Und es sind vor allem dieDeserteure, die Respekt verdienen.

Gegner der Errichtung von Deserteursdenkmälern in Deutschlandargumentierten oft, dass dies eine Form der Untreue gegenüber dereigenen Nation sei, die in existenzieller Not geraten sei. Sie behaupteten,diese Denkmäler seien eine Verhöhnung der Soldaten, die in derWehrmacht bis zum Ende durchgehalten haben. Sie glaubten auch, dasseinfache Soldaten überhaupt keine Chance oder Gelegenheit hatten,den kriminellen Charakter des Krieges zu beurteilen. Diese Ansicht istabsurd, da die meisten Wehrmachtssoldaten die Gelegenheiten hatten,mit eigenen Augen die Formen der Unterdrückung derrussischen,polnischen oderjüdischen Bevölkerung zu sehen. Und das, was dieüberwältigende Mehrheit dieser Soldaten mit eigenen Augen gesehenhat, musste fürjeden sensiblen Mensch ein ausreichender Grund zur Desertion gewesen sein.

Natürlich wird Desertion auch in demokratischen Ländern als etwasVerweriches angesehen oder sogar streng bestraft. Aber das DritteReich war kein normaler Staat. Die Regierung von Adolf Hitlerterrorisierte die eigene Gesellschaft und hinderte sie daran, einenpolitischen Willen zu formulieren. Die Desertion wurde zu einem derwenigen möglichen Proteste gegen dieses System. Die Zahlen sindebenfalls aussagekräftig. Während des Zweiten Weltkriegs verurteiltendie Nazi-Gerichte etwa 30.000 ihrer eigenen Soldaten wegen Desertionzum Tode. Im Vergleich dazu wurde in der amerikanischen Armee imgleichen Zeitraum nur ein Todesurteil vollstreckt und in der britischenArmee keines. Im Dritten Reich wurde die Todesstrafe für Desertioneinfach zu einer Form der Ausrottung politischer Gegner.

Deserteure gehören genau der gleichen Tradition an, wie die Initiatorendes Staatsstreichs vom 20. Juli 1944. Was einen kleinen Deserteur vonden Grafen Helmuth von Moltke oder Claus von Stauffenbergunterschied, war seine gesellschaftliche Stellung. Mit ausgezeichnetenVerbindungen zu den höchsten politischen und militärischen Kreisendes Dritten Reiches hatten sie eine echte Chance, einen wirksamenStaatsstreich durchzuführen und Deutschland von Adolf Hitler zubefreien. Sie nutzten diese Gelegenheit nicht, und der mißlungeneAttentat in der Wolfsschanze gab dem Regime einen Vorwand, dieAusrottung wirklicher und angeblicher politischer Gegnerdurchzuführen. Nach dem 20. Juli 1944 verblasste jeglicheoppositionelle Aktivität im Dritten Reich, und man könnte sogar sagen,dass der Versuch von Graf Stauffenberg, den Hitler zu ermorden, anstattden Krieg zu verkürzen, ihn verlängerte.

Ein einfacher Soldat könnte keinen Staatsstreich auslösen. Er hatte nichteinmal die Chance, ähnlich denkenden Kollegen zu nden. DerGeheimdienst in der Wehrmacht war erstaunlich effektiv, und jederVersuch, sich auch nurim kleinsten Kreis zu organisieren, endete schnellvor dem Nazi-Kriegsgericht. Daher war aus der Perspektive eineseinfachen Wehrmachtssoldaten die einzige Form des aktivenWiderstands gegen das anhaltende Verbrechen die Desertion.Desertion, die im Gegensatz zum Staatsstreich vom 20. Juli 1944 jedesMal einen echten Beitrag zur Schwächung des Regimes leistete.

Natürlich wäre es eine weitreichende Manipulation zu behaupten, dassjede Fahnenucht politische oder moralische Motive hatte. Häug wares eine einfache Überzeugung über die Sinnlosigkeit des Krieges, derSchrecken des alltäglichen Tötens, Schikanen von Vorgesetzten, oder dieSorge um das Schicksal der Nächsten. Die Ursache für eine Desertionkönnte sogar eine Liebe zu einer Polin oder einer Französin sein, dienach deutschem Recht kategorisch verboten war.

Aber selbst wenn die Beweggründe der Deserteure unterschiedlichwaren, hatte ihre Tat selbst eine tiefe politische Dimension. So wurdenzum Beispiel alle Wehrmachtssoldaten gezwungen, einzeln einen Eidder Loyalität und des rücksichtslosen Gehorsams gegenüber AdolfHitler abzulegen. Fahnenucht war ein Akt derradikale Absage dieseGehorsamkeit. So sahen es auch die Wehrmachtsrichter, die in derDesertion einen Akt persönlicher Untreue gegenüber Hitler sahen. Essollte auch daran erinnert werden, dass die Desertion mitschwerwiegenden Folgen für die Familie des Soldaten verbunden war,der sich zu einem solchen Schritt entschloss. Im Zuge der Repressionwurde auch seinen Angehörigen jegliche materielle Existenzgrundlageund Sozialleistungen des Staates vorenthalten.

Fahnenucht war ein politischer Akt. Es war eine Weigerung, das LagerAuschwitz zu verteidigen, und bedeutete somit eine Verkürzung derSchlange von Millionen von Juden, die in die Gaskammern gingen. JedeVerweigerung der Loyalität gegenüber dem Führer bedeutete, dasLeiden der Zivilbevölkerung in den besetzten Ländern und die Exzesseder Gestapo zu verringern. Die Desertion jedes einzelnen Soldaten trugaufreale Weise zum Ende der alliierten Bombenangriffe in Dresden,Berlin oder Hamburg bei. Mit jedem aufeinanderfolgenden Kriegstagstieg das Bedürfnis nach Rache bei den einfachen Männern der RotenArmee, die sich später an deutschen Frauen und Kindern rächten. Es warein Beitrag zum Zusammenbruch der Frontlinie und damit zum Ende dessinnlosen gegenseitigen Mordens.

Und niemand soll denken, dass die Desertion im Dritten Reich einmarginales und bedeutungsloses Phänomen war. Moderne Forschungenbestätigen, dass 300.000 Soldaten während des Zweiten Weltkriegs ausder Wehrmacht desertierten. Einem Teil gelenag der Flucht, aber 30000. von ihnen wurden von den Nazi-Kriegsgerichten zum Todeverurteilt und meist öffentlich vor den Augen ihrer ehemaligenMitstreiter hingerichtet.

Ein ebenso grausames Schicksal traf diejenigen, die von denWehrmachtsgerichten "nachsichtiger" behandelt wurden. Zunächstwurden sie in die Wehrmachtsgefängnisse "eingeliefert", die sich unteranderem in Graudenz und Glatz befanden. Die "illoyalen" Soldatenwurden vom SS-Personal besonders gehasst. Es kam oft vor, dass sieTage lang stehen mussten, anderen wurde befohlen, sich hinzuknien undeine Stunde lang Ziegelsteine vor sich zu halten. Die jenigen, die es nichtertragen konnten, wurden mit Schlagstöcken bis zur Bewusstlosigkeitzugeschlagen. Die Deserteure wurden im Winterins Freie nackt gejagtund dann mit Brettern aus ihren Betten geschlagen, um sieaufzuwärmen.

Diejenigen, die überleben konnten, wurden in die Straager an der Frontgeschickt, die den wandernden Konzentrationslagern glichen. Dortwaren sie gezwungen, Minen zu demontieren, die Toten zu begrabenund zu exhumieren, oder Bunker unter beschuss zu bauen. Die"illoyalen" Soldaten wurden in die am stärksten gefährdeten Abschnitteder Front geschickt. Sie hungerten so sehr, dass die auf dem Feldgefangenen Mäuse eine hochgeschätzte Delikatesse waren. Unterdiesen Bedingungen betrug die durchschnittliche Lebenserwartungeines Verurteilten nicht mehr als einen Monat. Schläge, Hunger,Verzweiung und Weinen beherrschten den Rest des Lebens derer, diesich weigerten, Hitler die Treue zu halten. Eines der Opfer dieserPraktiken war eben der Vorsitzende der Vereinigung der Opfer derWehrmachts-Militärjustiz, Ludwig Baumann.

Es gab in der Geschichte Europas nur wenige politische Systeme, indenen der Widerstand gegen die Macht mit einer so radikalenBedrohung des Lebens verbunden war wie im Dritten Reich. Es ist dahernicht überraschend, dass nur wenige Deutsche einen aktivenWiderstand gegen den Faschismus geleistet haben.

Bruno Kosak war überzeugt, dass jeder, der von der Wehrmachtdesertierte, das Richtige tat und Respekt verdiente. Wenn jemand einDenkmal verdient, dann sind es diejenigen, die sich geweigert haben, anden Verbrechen teilzunehmen. Die Menschen heute, die dies nichtverstehen, haben die Schützengräben des Zweiten Weltkriegs mentalnoch nicht verlassen.

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