Wir sprachen mit Łukasz Kohut, MdEP, über die Volkszählung, den Kampf um die Anerkennung der Sprache und die Identität der Schlesier, ebenso über die Beziehungen zwischen Schlesiern und der deutschen Minderheit. Wir haben den Abgeordneten auch gefragt, ob er sich als neuer Ansprechpartner für die schlesischen Kreise fühlt, und wann ihm deutlich wurde, wo seine Heimat ist und was es für ihn bedeutet, ein Schlesier zu sein.
Wir sprachen mit Łukasz Kohut, MdEP, über die Volkszählung, den Kampf um die Anerkennung der Sprache und die Identität der Schlesier, ebenso über die Beziehungen zwischen Schlesiern und der deutschen Minderheit. Wir haben den Abgeordneten auch gefragt, ob er sich als neuer Ansprechpartner für die schlesischen Kreise fühlt, und wann ihm deutlich wurde, wo seine Heimat ist und was es für ihn bedeutet, ein Schlesier zu sein.
Maria Honka-Biły: Auf unserem Portal widmen wir uns Fragen, in denen es um die Autochthonen im weiteren Sinn geht. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, die oft zerstrittene Gemeinschaft zusammenzubringen und zu versöhnen. Wie bekannt sein dürfte, gab es in den Beziehungen zwischen den schlesischen Verbänden und der deutschen Minderheit unterschiedliche Spannungen. Es gab sogar einen Moment, in dem sich die deutsche Minderheit gegen die Anerkennung der schlesischen Sprache als ethnische Minderheitensprache und gegen die Anerkennung der Schlesier als ethnische Minderheit aussprach. Im Jahr 2014 gab die Gemeinsame Kommission der Regierung und der nationalen und ethnischen Minderheiten in Polen eine Stellungnahme heraus, die lautete: „Nach Ansicht der Kommission handelt es sich bei den Schlesiern um eine regionale Gemeinschaft, die in Schlesien lebt, und nicht um eine ethnische oder nationale Gemeinschaft.“ Diese Stellungnahme wurde von Rafał Bartek, dem Vorsitzenden der Deutschen Minderheit im Oppelner Schlesien, unterzeichnet. Was ist Ihrer Meinung nach der Grund für die Uneinigkeit unter den Vertretern der deutschen Minderheit.
Łukasz Kohut: Zunächst bin ich mit dieser Auffassung überhaupt nicht einverstanden. Man kann nicht rund eine Million Menschen, die sich bei der letzten Volkszählung als Schlesier definierten, einfach als irgendeine Gruppe bezeichnen. Diese Menschen sind hier zu Hause, und es spielt keine Rolle, ob sie sich als deutsch-schlesisch, polnisch-schlesisch, schlesisch oder europäisch-schlesisch fühlen. Sie gehören schließlich alle zu unserem kulturellen Reichtum, der bewahrt werden sollte. Im Laufe der Jahre waren wir im Kaiserreich, in Preußen und in Polen, die Grenzen und die sprachlichen und kulturellen Einflüsse haben sich viele Male geändert. Aber wir waren all die Jahre hier zu Hause, auf unserem eigenen Land. Wir sollten es nicht erlauben, ignoriert zu werden! Eine so große Gruppe, die sich ethnisch eindeutig geprägt fühlt, muss doch anerkannt werden.
Maria Honka-Biły: Es gab aber auch Versuche der Versöhnung zwischen den schlesischen Verbänden und der deutschen Minderheit. Interessant ist, dass beide Volksgruppen schlesisch sprechen. Bei vielen Treffen, sowohl bei privaten als auch bei offiziellen Veranstaltungen, verständigen sich die Angehörigen der deutschen Minderheit untereinander auf schlesisch. Daher kann man sagen, dass beide Verbände sich an die gleichen Menschen wenden. Werden Sie sich gegenseitig unterstützen oder doch eher miteinander konkurrieren?
Łukasz Kohut: Wir stehen heute absolut nicht in einer Konkurrenz zueinander, weil wir alle ein Interesse am Wohl unserer Gemeinschaft haben. Kürzlich habe ich mich mit Bernard Gaida, dem Vorsitzenden des Verbandes der Deutschen Sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen, getroffen. Es war ein sehr informatives Treffen in einer netten Atmosphäre. Wir erreichen die gleichen Menschen mit unseren Inhalten. Das muss aber nicht bedeuten, dass wir im Streit sind.
Maria Honka-Biły: Sie haben über eine polnische Parteiliste für das Europäische Parlament kandidiert. Wie sehen Sie Ihre Aufgabe?
Łukasz Kohut: Ich gehe davon aus, dass es möglich sein muss, als akzeptierter Schlesier in einem föderalen Europa zu leben. Unser Ziel ist langfristig die Anerkennung der Schlesier als ethnische Minderheit und der Schutz der Sprache und Kultur. Seit vielen Jahren hat sich in dieser Hinsicht nichts getan.
Maria Honka-Biły: Eine Ihrer Aufgaben im Europäischen Parlament war es, sich für die Verabschiedung des Minority Safepacks einzusetzen, dessen Bestimmungen sowohl für die deutsche Minderheit als auch für die Schlesier sehr wichtig sind. Leider hat es nicht geklappt.
Łukasz Kohut: Obwohl es sich um eine parlamentarische Initiative handelte, die von den Parlamentariern verschiedener Länder der Europäischen Union unterzeichnet wurde, ist sie leider nicht erfolgreich gewesen. Wir setzen die Arbeit innerhalb unserer Fraktion im Europäischen Parlament fort. Wir haben auch einen Fonds vorbereitet, der Mittel für den Schutz und die Rechte nationaler Minderheiten bereitstellen wird. Wir werden die Details bald bekannt geben.
Maria Honka-Biły: Ich möchte auch Ihre Rede in der Plenarsitzung des Europäischen Parlaments erwähnen, bei der Sie in schlesischer Sprache gesprochen haben und keiner von den Übersetzern sie verstehen konnte. Dadurch haben Sie im Plenarsaal für viel Aufsehen gesorgt, und die ganze Situation wurde in den internationalen Medien und sozialen Netzwerken breit kommentiert. Kann eine solche Aufregung hilfreich für die schlesische Sache sein?
Łukasz Kohut: (lacht) Die Verwirrung war natürlich nicht beabsichtigt, mein Ziel war nur zu beweisen, dass die schlesische Sprache noch lebendig ist, dass unsere Sprache sich vom Polnischen und jeder anderen Sprache unterscheidet. Ich habe diesen Unterschied empirisch nachgewiesen, indem ich gezeigt habe, dass der polnische Übersetzer nicht in der Lage war, meine Rede zu übersetzen. Journalisten und Kommentatoren interessierten sich für die Angelegenheit, und sie sprachen in vielen Ländern darüber. Natürlich kann jede Situation wie diese helfen. Je mehr wir darüber reden, desto besser. Sicherlich bringt uns jeder öffentliche Auftritt, jede Diskussion des Themas, zumindest ein Stück näher an unser Ziel.
Maria Honka-Biły: War es nicht so, dass die schlesischen Verbände falsche Akzente setzten?
Sollte es nicht so sein, dass sie zuerst über die Anerkennung der Sprache und Organisation sprechen, ehe sie mit politischen Forderungen antreten? Könnte die schlesische Minderheit die polnische Mehrheit auf diese Weise erschreckt haben?
Łukasz Kohut: Wir sollten mit dem beginnen, was für uns am wichtigsten ist, nämlich mit dem Schutz unserer Identität. Die schlesische Kultur ist immer noch lebendig, aber leider verschwindet sie langsam. Die nächsten, jüngeren Generationen können schon gar nicht mehr oder nur noch in sehr geringem Maße schlesisch sprechen. Unsere Sprache muss geschützt werden. Dies sollte das Wichtigste für uns sein, und dies sollte daher der erste Schritt sein.
Maria Honka-Biły: Na gut, fassen wir es kurz zusammen: Sie haben es geschafft, die zerstrittenen schlesischen Kreise zusammenzubringen. Sie haben es geschafft, Aufsehen zu erzeugen und die schlesische Frage auf die internationale Bühne zu bringen. Sie haben sich mit vielen Vertretern der schlesischen und deutschen Kreise getroffen. Verstehen Sie sich jetzt als neuer Mittelsmann, oder sagen wir Ansprechpartner der schlesischen Kreise und Verbände?
Łukasz Kohut: Oh, danke. Ich bin weit davon entfernt, eine selbsternannte Führungskraft zu sein. Ich mache einfach meinen Job als Schlesier. Ich bin mit klar definierten Zielen in das Europäische Parlament gegangen. Wie Sie wissen, treffe ich mich mit Vertretern der deutschen Minderheit. Mein Ziel ist auch, dass sich die zerstrittenen Kreise die Hand geben. Das ist das Wichtigste. Ich bin froh, dass ich etwas frischen Wind in die politische Szene bringen konnte. Und ich werde meinen Einsatz nicht so schnell aufgeben.