10.9.2021
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Seien Sie mutig und sagen Sie die Wahrheit!

Der Jahreskongress der VdG schlug einen neuen, völlig unerwarteten Ton an

Jedem, der sich in der deutschen Minderheit engagierte, war klar, dass ein unschuldiger kritischer Gedanke an die Organisation zur Verbannung führen und die Tür für jeden, der es wagte, ihn zu äußern, geschlossen werden würde. Einige wenige Leute hatten ein Monopol auf die Wahrheit. Auf dem diesjährigen Jahreskongress forderte der Vizepräsident der VdG die Delegierten auf, ihre Gedanken mutig zu formulieren. Vielleicht eröffnet der VdG-Kongress eine neue Ära in der Geschichte der Organisation.

vdg
Natalia Klimaschka

Jedem, der sich in der deutschen Minderheit engagierte, war klar, dass ein unschuldiger kritischer Gedanke an die Organisation zur Verbannung führen und die Tür für jeden, der es wagte, ihn zu äußern, geschlossen werden würde. Einige wenige Leute hatten ein Monopol auf die Wahrheit. Auf dem diesjährigen Jahreskongress forderte der Vizepräsident der VdG die Delegierten auf, ihre Gedanken mutig zu formulieren. Vielleicht eröffnet der VdG-Kongress eine neue Ära in der Geschichte der Organisation.

Der VdG-Jahreskongress begann traditionell mit Worten des Eigenlobs. Der Präsident der Organisation, Bernard Gaida, stellte fest, dass sich die Minderheitengemeinschaft zunehmend ihrer Identität bewusst ist und die bestehenden Möglichkeiten des kulturellen Ausdrucks nutzen kann. Er sprach von Projekten, von denen einige tatsächlich lobenswert sind. Dazu gehören die wachsenden zweisprachigen Schulen des Vereins "Pro Liberis Silesia" sowie das im Bau befindliche historische Dokumentationszentrum in Oppeln. Der bei der Eröffnung des Kongresses anwesende Aussiedlerbeauftragte der Bundesregierung, Bundestagsabgeordnete und BdV-Vorsitzende, Professor Bernd Fabritius, wies zu Recht darauf hin, dass diese Einrichtung wohl kein Meilenstein in der Entwicklung der deutschen Minderheitenorganisationen werden wird. In seiner Rede wies Prof. Fabritius auf die guten Beziehungen der VdG zur deutschen Regierung hin. Dies zeigten auch die persönlichen Wünsche von Bundesminister Horst Seehofer und Bundeskanzlerin Angela Merkel, die den Mitgliedern des Kongresses übermittelt wurden. In seiner Rede vertrat Fabritius die Ansicht, dass sich die Minderheitenorganisation hervorragend entwickelt habe und die regionalen Traditionen erfolgreich an die nächste Generation weitergegeben werden.

Ein wichtiger Moment des Kongresses war die Verleihung der Jubiläumsmedaille zum 30-jährigen Bestehen der VdG an Prof. Fabritius. In seiner Begründung führte Präsident Gaida aus, dass es der Organisation in den letzten Jahren vor allem durch die Vermittlung von Prof. Fabritius gelungen sei, neue Projekte zu verwirklichen. Er brachte auch seine Zufriedenheit über die sich zunehmend entwickelnden Beziehungen zwischen der VdG und den Umsiedlungsgemeinschaften zum Ausdruck.

Danach war der Kongress eher schläfrig. Der Präsident stellte das Programm der Vereinigung vor, das keine besonders neuen Anregungen enthielt. Wenn es Kritik gab, so richtete sich diese an die polnische Regierung. Sie sprachen von mangelndem Interesse an den Problemen der Minderheit, beklagten sich über die Kürzung der Deutschstunden in den Schulen oder über Probleme beim Zugang zur öffentlichen Medienantenne. Und als es so aussah, als ob nichts passieren würde und alle frustriert über die Unproduktivität der Sitzung nach Hause gehen würden, geschah etwas Außergewöhnliches.

Zunächst wies Präsident Gaida darauf hin, dass das Schlimmste an der Tätigkeit der Organisation die Stagnation sei. Er bedauerte, dass sie in ihren Aktivitäten die klaren Ziele, für die sie hätte kämpfen müssen, verloren hat. Die überraschendste Rede hielt jedoch der VdG-Vizepräsident und TSKN-Präsident Rafał Bartek. Auch er stellte einen Mangel an Enthusiasmus bei den Aktivitäten der Organisation fest und forderte die Delegierten auf, eine ehrliche Diskussion über den Zustand der Organisation zu führen. Rafał Barteks Aufruf, die Wahrheit zu sagen, klang erstaunlich glaubwürdig und wahr.

Eine solche Rede hatte es in der 30-jährigen Geschichte der Organisation noch nie gegeben. Die Worte waren umso schockierender, als sie aus dem Mund eines Aktivisten kamen, der bisher als autoritärer Führer galt, der Andersdenkende gar nicht zu Wort kommen lässt.

Natürlich kam der Aufruf für die Delegierten so überraschend, dass aus der Diskussion nichts Vernünftiges hervorging. Es wurden Fehler in der Geschichtspolitik, Fehler bei der Projektfinanzierung und Praktiken, die den Machtverlust der EU verewigen, genannt. Es war auch die Rede von der Praxis der VdG, unangepasste Medien innerhalb der deutschen Minderheitenorganisation zu unterdrücken.

Aber dieser Aufruf, die Wahrheit zu sagen, ist das größte Ereignis in der Geschichte der Minderheit seit vielen Jahren. Schließlich geht es bei der Demokratie nicht nur um Verfahren zur Wahl von Vertretern, sondern vielleicht vor allem um Meinungspluralismus, Offenheit für neue Erkenntnisse und Respekt für Andersdenkende. Es ist nur sinnvoll, wenn sich die Mitglieder für die Organisation verantwortlich fühlen. Es liegt daher an der Führung der VdG, ihre Bereitschaft zu einer fairen Diskussion aufrecht zu erhalten.

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Natalia Klimaschka