Die Frage, ob Breslau 1945 oder einige hundert Jahre früher gegründet wurde, sorgt für heftige Kontroversen unter den Einwohnern der Stadt. Nach der Entdeckung einer barocken Neptun Skulptur werden diese Fragen wahrscheinlich erneut aufgeworfen. Sie stand auf dem Nowy-Targ Platz und war mehrere hundert Jahre lang ein Wahrzeichen der Stadt. Forderungen nach der Restaurierung deutscher Denkmäler wecken hier stets heftige Emotionen.
Die Archäologen waren verblüfft darüber, dass die Überreste der gefundenen Statue stilistisch nicht zum Rest des Brunnens passten. Dies warf viele Diskussionen und Fragen auf. Schließlich kam einer der Breslauer Historiker, Dr. Tomasz Sielicki, zu dem Schluss, dass 1874 eine größere Renovierung des Brunnens durchgeführt wurde. In diesem Zusammenhang schuf ein anderer Bildhauer aus Breslau, Albert Rachner, eine völlig neue Neptun-Skulptur.
Dr. Sielicki gab nicht auf. Im Rahmen seiner Recherchen befragte er die deutsche Presse des späten 19. Jahrhunderts. Und tatsächlich fand er in der Breslauer Zeitung von 1894 die Information, dass die ursprüngliche Barockskulptur von Leutnant Carl Müller erworben worden war, der sie zunächst auf seinem Grundstück in der Świętokrzyska-Straße aufstellte. Einige Jahre später, im Jahr 1889, brachte Müller die Skulptur in den Park seines Anwesens in Langendorf bei Groß Wartenberg. Das Dorf liegt 60 Kilometer von Breslau entfernt.
So entstand die Hoffnung, dass vielleicht die ursprüngliche Barockskulptur erhalten geblieben war. Und tatsächlich stellte sich heraus, dass die Statue des Herrn der Meere im Gestrüpp des Schlossparks lag. Den Bewohnern zufolge hatte sie dort jahrzehntelang geruht, nachdem ein starker Wind sie in den 1960er Jahren umgeweht hatte. Leider fehlte dem Neptun der Kopf. Die Skulptur wurde in die Steinwerkstatt des Stadtmuseums gebracht.
Im Januar dieses Jahres wurden weitere Teile der Neptun-Skulptur in Langendorf gefunden. Dazu gehörte eine der steinernen Muscheln, die die Statue des Herrn der Meere umgeben. Sie schmückte den Garten eines Grundstücks in Langendorf und war in perfektem Zustand. Der Kopf des Neptuns selbst fehlt jedoch noch. Dr. Sielicki hofft, ihn in diesem Frühjahr zu finden.
Sein Traum ist es natürlich, dass der komplette Brunnen nach einer umfassenden Restaurierung an seinen historischen Platz auf dem Nowy-Targ-Platz zurückkehrt. Die Genehmigung dafür muss vom Stadtrat von Breslau erteilt werden. Das ist nicht so sicher, denn zu viele Ratsmitglieder sind immer noch der Meinung, dass Breslau 1945 gegründet wurde.