Vor dem Zweiten Weltkrieg hatte die polnische Gemeinschaft in Deutschland den Status einer nationalen Minderheit. Sie funktionierte nicht nur in Oberschlesien, sondern auch in Berlin oder im Ruhrgebiet. Dieser Status wurde ihr 1940 von den Nazis entzogen, aber bereits 1951 wieder verliehen. Seine erneute Aufhebung wurde von den Unterhändlern des deutsch-polnischen Traktats im Jahre 1991 vereinbart.
Die polnische Gemeinschaft in Deutschland wurde durch den Genfer Vertrag vom 15. Juli 1922 als nationale Minderheit anerkannt. Dabei handelte es sich um ein deutsch-polnisches internationales Abkommen.
In den folgenden Jahren war die polnische Minderheit nicht nur in Oberschlesien aktiv. Ihre wichtigsten Zentren waren Berlin und das Ruhrgebiet. Sie verfügte über Banken, Versammlungshäuser und Kindergärten in ganz Deutschland. Erst am 27. Februar 1940 verabschiedete der deutsche Ministerrat die so genannte "Verordnung über die Organisation der polnischen Volksgruppe im Deutschen Reich". Umgangssprachlich wird dieser Rechtsakt als Göring-Dekret bezeichnet. Darin wurde die Auflösung aller polnischen Organisationen angeordnet. Ein Großteil der Immobilien wurde durch das Dritte Reich beschlagnahmt. Dazu gehörten Wohnhäuser, Bankinstitute, Schulen, Kindergärten, Druckereien, Zeitschriften, Bibliotheken, Finanz- und Kreditinstitute sowie polnische Vereine. Gelder auf Bankkonten wurden gestohlen. Darüber hinaus wurden in den folgenden Monaten schätzungsweise bis zu 2.000 Menschen verhaftet und in Konzentrationslager gebracht.
Diese Regelung wurde jedoch 1951 durch einen Beschluss des Deutschen Bundestages aufgehoben. Von diesem Zeitpunkt an war die polnische Gemeinschaft in Deutschland rechtlich gesehen erneut eine nationale Minderheit. Diesen Status verlor sie ein weiteres Mal 1991 auf der Basis eines weiteren internationalen Abkommens, dem deutsch-polnischen Vertrag von 1991. Der Vertrag und seine rechtlichen Folgen wurden zum Ausgangspunkt für nachfolgende deutsche Gesetzgebungsakte.
Am 11. Mai 1995 unterzeichnete die deutsche Regierung das Rahmenübereinkommen des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten. Die Bundesregierung umfasste in ihrer Erklärung die Anerkennung der dänischen sowie der sorbischen Minderheit als nationale Minderheiten in Deutschland.
Die Ratifizierung des Rahmenübereinkommens durch den Deutschen Bundestag am 1. Februar 1997 war paradoxerweise ein wichtiger und entscheidender Moment für die Situation der polnischen Gemeinschaft in Deutschland.
Mit diesem Akt beschloss der Deutsche Bundestag, dass es keine polnische Minderheit in Deutschland gibt (Bundesgesetzblatt 1997, Teil II, Seite 1406). Von diesem Moment an fiel die mögliche Anerkennung des Status der polnischen Gemeinschaft als nationale Minderheit in die Ausschlich in die Hände des Deutschen Bundestages. Und ein solches mögliches Gesetz wäre dann nicht so sehr eine Wiederherstellung des Minderheitenstatus, sondern sein erneute Erteilung.
Ein solcher Beschluss des Bundestages ist jedoch nicht möglich. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland ist der Meinung, dass klare Kriterien erfüllt sein müssen, um eine bestimmte Gemeinschaft als nationale Minderheit anzuerkennen. Nach dieser Auslegung muss die Volksgruppe autochthon sein. Das heißt, sie muss seit sehr langer Zeit in ein konkretes Gebiet besiedeln und in einem kompakten Raum leben, idealerweise, wenn sie noch nachweislich der Gründer eines bestimmten Ortes war. Sie muss in diesem Territorium ihre eigene Kultur entwickeln und ihre eigene Sprache bewahrt haben. So hat sich beispielsweise die französische Volksgruppe der Hugenotten im 17. Jahrhundert in Berlin niedergelassen und bestimmte Straßen bewohnt. Aber auch ihnen wurde der Minderheitenstatus in Deutschland nicht zuerkannt.
Die deutsche Regierung sieht die polnische Gemeinschaft wie viele andere Nationen in Deutschland als eine Auswanderergruppe. Sie argumentiert auch, dass die Anerkennung des Minderheitenstatus für die polnische Gemeinschaft für sie eine Art Pandoras Büchse öffnen würde, da andere Emigrantengruppen, wie z. B. die Türken, einen ähnlichen Status beanspruchen könnten. Von da an könnte jede andere Einwanderergruppe in Deutschland, einschließlich Vietnamesen, Syrer oder Angolaner, einen solche Rechte beanspruchen. Und das würde zu einem rechtlichen Chaos in Deutschland führen.
Aus der Sicht der polnischen Interessen ist dies jedoch ein großer Verlust. Hätte die polnische Gemeinschaft einen Minderheitenstatus, würde sie zentral von Bundesmitteln finanziert. Es wird davon ausgegangen, dass es ca. 1,5-2 Millionen Polen in Deutschland leben. Das heißt dass Sie dann die größte nationale Minderheit in Deutschland wären und dadurch einen enormen Einfluss hätten.
Aus welchen Gründen die polnischen Verhandlungsführer 1991 zustimmten, der polnischen Gemeinschaft den Status einer nationalen Minderheit zu entziehen, bedarf wohl einer sorgfältigen archivarischen Recherche. Wie dieses Pokerspiel ausgesehen hat, werden wir wohl eines Tages erfahren, daran besteht kein Zweifel.