22.7.2021
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Damit der Schmerz nicht hörbar ist

Die Berliner Ausstellung über die Vertreibung ist ein außergewöhnliches Kauderwelsch

Am Anfang galt es als es reaktionär. Erika Steinbach und die Vertriebenenkreise wollten ein klares Zeichen setzen, ein Beweis des Schicksals, das die Vertriebenen am Kriegsende und in den ersten Jahren der Bundesrepublik erlitten haben. Die Ausstellung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" in Berlin war ein Versuch, Schlesien wie alle ehemaligen deutschen Ostgebiete in das Bewusstsein der Deutschen zu heben. Die Ausstellung war so lange umstritten, bis sie zum Schluss jeden Sinn verloren hat. Sie erzählt von gar nichts mehr...

Museum der Vertreibung
Natalia Klimaschka

Am Anfang galt es als es reaktionär. Erika Steinbach und die Vertriebenenkreise wollten ein klares Zeichen setzen, ein Beweis des Schicksals, das die Vertriebenen am Kriegsende und in den ersten Jahren der Bundesrepublik erlitten haben. Die Ausstellung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" in Berlin war ein Versuch, Schlesien wie alle ehemaligen deutschen Ostgebiete in das Bewusstsein der Deutschen zu heben. Die Ausstellung war so lange umstritten, bis sie zum Schluss jeden Sinn verloren hat. Sie erzählt von gar nichts mehr...

Nach vielen Jahren der Kontroverse und acht Jahren Bauzeit wurde schließlich die Ausstellung “Flucht, Vertreibung, Versöhnung" in Berlin eröffnet. Sie ist im Deutschlandhaus am Askanischen Platz in Berlin zu sehen, in einem Gebäude, das im Jahr 1926 gebaut wurde. Jahrzehntelang diente es als Sitz des Bundes der Vertriebenen (BdV). Heute wird es fast vollständig für die Ausstellung genutzt. Die Fassade des Hauses steht unter Denkmalschutz und ist unverändert erhalten geblieben.

Das Projekt wurde von dem österreichischen Architekturbüro "Marte.Marte" konzipiert. Die Innenräume wurden für die Ausstellungzwecke komplett neugestaltet. Sie zeigen den kahlen Beton und die Gebäudestruktur. Besonders beeindruckend sind die Wendeltreppen, die die Ausstellungsetagen miteinander verbinden. Um die Exponate nicht durch einfallendes Licht zu gefährden, wurden die Fenster mit grauem Stoff bedeckt.

Im ersten Stock erinnern die Veranstalter der Ausstellung an das Schicksal der Heimatvertriebenen in der ganzen Welt, ausführlich wird auf Geschehnisse der Vergangenheit und der Gegenwart eingegangen. Auch die Ereignisse während der deutschen Besatzung in Polen und der Holocaust finden darin Raum. Auf diese Weise „umrahmt“, könnte der Besucher den Eindruck gewinnen, dass die Vertreibung der Deutschen aus Schlesien und den gesamten deutschen Ostgebieten nichts Außergewöhnliches war, sondern ein Teil eines globalen Mechanismus.

Die Sammlung im zweiten Stock ist den Ereignissen gewidmet, die u.a. in Schlesien stattgefunden haben. Hier sind viele authentische Exponate zu finden, wie z.B. ein Pferdegespann, mit dem im Jahr 1945 vor der immer näher rückenden Front fliehende Familien verzweifelt versuchten, ihre letzten Habseligkeiten zu retten. Zu sehen sind auch Handkarren, Fahrräder, Ausrüstung und andere Gegenstände der Flucht, ebenso Kisten, in denen Schlesier nach Kriegsende für sie wichtige Dinge vor Beschlagnahmung und Raub sichern wollten.

Auch das Schicksal der zwei Millionen Polen, die aus der Sowjetunion in die damaligen deutschen Ostgebiete zwangsumgesiedelt wurden, findet ausführlich Erwähnung. Hierzu sollte man wissen, dass aus diesen damals deutschen Gebieten rund 10 Millionen Deutsche vertrieben wurden.

Vermutlich aus Angst vor Anschuldigungen wegen mangelnder politischer Korrektheit wird das Drama dieser beiden Gruppen in einer Reihe gezeigt. Für den Besucher ist es manchmal schwierig zu unterscheiden, welche Vertriebenengruppen auf den Fotos zu sehen sind – die Polen oder die Deutschen. Es ist auch nicht klar, wem die vorgestellten Gegenstände gehörten.

Einen Einblick vermittelt die Ausstellung auch in das Nachkriegsschicksal der Vertriebenen in der Bundesrepublik. Dies alles wird mit authentischem Fotomaterial illustriert.

Für das deutsche Publikum sind sicherlich die polnischen Anstrengungen, die einstigen deutschen Gebiete zu integrieren und deren wirtschaftlicher Wiederaufbau nach dem Krieg ein aufschlussreiches Thema. Spannend wäre es daher zum Beispiel gewesen, die Geschichte des Nachkriegs-Breslau darzustellen, das sich aus Ruinen zu einer bedeutenden europäischen Metropole entwickelt hat. Dies aber war offensichtlich nicht geeignet, die deutsche Geschichte zu relativieren - und wurde weggelassen. Die Entwicklung in den ehemaligen deutschen Ostgebieten nach dem Krieg unter Polens Regie wurde - so der Eindruck des Betrachters – „verundeutlicht“.

Auf diese Weise wurde das Drama weder der einen noch der anderen Seite herausgearbeitet. Letztendlich kam dabei eine Kakophonie heraus, über deren Absurdität nur der Kopf geschüttelt werden kann. Es ist nur schade, dass die enormen Finanzmittel in den Wiederaufbau des Deutschlandhauses für diese Ausstellung investiert wurden.

Die Ausstellung wurde vor einigen Wochen eröffnet. Die Feierlichkeiten wurden von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel selbst online begleitet. Sie lobte die Autoren und sagte u.a., dass die Ausstellung eine Lücke schließe, die den Deutschen ermögliche sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen. Man kann vermuten, dass die Kanzlerin die Worte aus dem Studio im Kanzleramt gesprochen hat, ohne die Ausstellung im Deutschlandhaus gesehen zu haben. Vielleicht wäre sie dann mit der Wortwahl realistischer gewesen.

Eliza Zawadzki

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Natalia Klimaschka