5.1.2023
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Jetzt verstehen wir besser

Die oberschlesische Tragödie durch das Prisma von Bucz

Für die jüngere und mittlere Generation erschienen die Repressionen, die Anfang 1945 über die autochthone Bevölkerung in Oberschlesien hereinbrachen, lange Zeit absurd und völlig unverständlich. Das Ausmaß der Verbrechen war so groß, dass sie sich jeder rationalen Betrachtung entzogen. Das änderte sich erst mit der Enthüllung der russischen Verbrechen in der Ukraine, die gleichsam vor unseren Augen geschahen. Dadurch konnten wir direkt spüren und sehen, wozu die Russen fähig sind. Wir verstehen jetzt besser, was 1945 in Oberschlesien geschah.

Tragödie in Bucza
Fot. AP Photo/Emilio Morenatti

Die Jahre 1945-1948 waren eine schreckliche Zeit für das schlesische Land. Viele unserer Vorfahren starben an den Folgen der politischen Unterdrückung. Im Volksbewusstsein werden die damals begangenen Verbrechen als die oberschlesische Tragödie bezeichnet.

Russische Soldaten hatten 1945 keine Skrupel Autochthone zu verfolgen, die sie als Deutsche ansahen. Für sie war jeder Autochthone in Oberschlesien, dessen Verwandter beispielsweise in der Wehrmacht gekämpft hatte, ein offensichtlicher Feind. Vor allem aber wurden Frauen vergewaltigt. Die Frauen, die überlebten, waren später für den Rest ihres Lebens traumatisiert.

Eine Episode sei hier zitiert. Soldaten der Roten Armee drangen in ein bestimmtes schlesisches Dorf nahe der ehemaligen Grenze ein. Sie suchten nach jungen Mädchen und raubten sie aus, und wenn sich eine Familie wehrte, brachten sie sie skrupellos um. In einem Haus saßen eine Frau und ihre Kinder in der Küche und hatten große Angst. Sie hörten in der Ferne Schüsse und Schreie von Frauen und warteten darauf, dass die Soldaten in ihr Haus eindrangen. Die älteren Mädchen hatten sich bereits versteckt, aber sie waren immer noch alle sehr verängstigt. Irgendwann stürmte eine Gruppe betrunkener Russen in das Haus und begann, nach den jungen Mädchen zu suchen. Sofort richtete einer von ihnen ein Gewehr auf die Mutter, die die drei Jungen mit ihrem Körper schützte. Die Soldaten befahlen ihnen, das Haus zu verlassen, und fanden schnell die versteckten Mädchen, stellten sie alle vor dem Haus auf und befahlen der Mutter, sich an die Wand zu stellen, sie solle erschossen werden, weil sie die Mädchen versteckt habe. Die Kinder fingen kurz an, laut zu weinen, und die Mutter stand die ganze Zeit fest vor ihnen und sagte: "Wenn ihr mich erschießen wollt, dann erschießt auch meine Kinder". Die Soldaten waren verblüfft, weil sie die Frau, die polnisch sprechen konnte, verstanden. Sie waren die Bösewichte, aber sie zeigten damals ein menschliches Gesicht und verschonten die Familie. 

In den folgenden Monaten und Jahren beteiligten sich die polnischen kommunistischen Behörden, die unter russischer Kontrolle standen, aktiv an der Verfolgung der Autochthonen. Es fällt der 

Öffentlichkeit schwer, die Mitschuld dieser Institutionen an den dramatischen Ereignissen jener Jahre offen einzugestehen.

Trotz dieses Widerstands wurden in vielen Städten und Gemeinden Gedenkstätten für die Opfer der schlesischen Tragödie errichtet. Es werden Gedenktafeln aufgestellt, an denen Kerzen und zahlreiche Blumen stehen. In Leszczyny und Knizenitz gibt es sogar Tafeln mit den Namen von Einwohnern, die in den Gulags umgekommen sind. Auf dem renovierten Marktplatz in Ujazd befindet sich ebenfalls ein Sockel mit einer Gedenktafel für die Opfer dieser Ereignisse. In der Gemeinde Ujazd kam es zu besonders blutigen Ereignissen. Im nahe gelegenen Jarischau wurde eine Kirche geschändet und der dortige Pfarrer ermordet. Es gab viele solcher Beispiele, wie z. B. in den Dörfern Zlönitz und Boguschütz bei Polen, wo 1945 Hunderte von Zivilisten getötet wurden. 

Leider sind Gedenkstätten zum Gedenken an die Opfer nicht überall leicht zu schaffen. Seit mehreren Jahren gibt es in Königshütte Bemühungen, eine Gedenktafel am ZUS-Gebäude anzubringen. Nach Angaben des derzeitigen Gebäudeverwalters ist die Angelegenheit äußerst kompliziert und erfordert angeblich umfangreiche Beratungen. Inzwischen liegen die Genehmigungen für die Anbringung solcher Tafeln sowohl vom Landesdenkmalpfleger als auch vom Institut des Nationalen Gedenkens längst vor. Sponsoren sind bereit, diese Tafeln zu finanzieren. Die Leitung der ZUS weigert sich jedoch, der Anbringung dieser Tafeln zuzustimmen. Die Initiatoren des Gedenkens sind empört und werfen der ZUS-Leitung Trägheit, Geschichtsfeindlichkeit, bewusste Auslassungen und Verschleierung von Fakten vor. Eine Lösung für dieses Problem ist noch nicht in Sicht. 

Die Schlesier versuchen auch auf andere Weise, die Erinnerung an die Opfer der schlesischen Tragödie wiederherzustellen. Jedes Jahr finden zahlreiche Gedenkveranstaltungen statt, vor allem am Tor des Lagers Zgoda. Es wurde übrigens vom Schrottplatz gerettet und renoviert. Der 29. Januar eint die deutsche und die schlesische Gemeinschaft. An diesem Tag treffen sie sich in verschiedenen Städten Oberschlesiens zu Gottesdiensten, Märschen und zum Gedenken an die in den Lagern Verstorbenen. So wird es wohl auch in diesem Jahr sein.

Die dramatischen Ereignisse in Bucz und anderen russischen Hinrichtungsstätten haben uns ein besseres Verständnis für das Unglück vermittelt, das unseren deutschen Omas, Opas, Uromas und Uropas nach 1945 widerfahren ist.

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JOHANN SOTOR