4.7.2023
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Nutzlose Federbüsche

Der Klimawandel vernichtet preußische Traditionen

Bis 2049 sollen in Oberschlesien Kohlegruben stillgelegt werden. Das bedeutet auch das Ende von Bergbautraditionen aus preußischer Zeit. Die 1795 von Graf Reden eingeführten Bergmannsuniformen zum Beispiel haben Generationen von Autochthonen zusammengeschweißt und sind so zu einem Eckpfeiler der oberschlesischen Identität geworden.

oberschlesier

Der Bergbau in Oberschlesien hat eine lange Geschichte, aber erst mit dem Beginn der preußischen Herrschaft entwickelte er sich rasant. Dies war der Anstoß für die Entwicklung der Industrie, und das Land war bereits während der napoleonischen Kriege zum Waffenarsenal der Berliner Könige geworden.

Die Kohle wurde hauptsächlich auf den Privatgrundstücken der autchthonen oberschlesischen Magnaten abgebaut. Eines der größten Probleme war von Anfang an der Transport des hier geförderten Rohstoffs in andere Teile Deutschlands. Der Transport größerer Mengen von Kohle mit Pferdefuhrwerken war nahezu unmöglich. Deshalb tätigte der preußische Staat hier gigantische Infrastrukturinvestitionen wie den Bau des Klodnitzkanals oder des Hauptschlüssel-Erbstollens.

Dabei handelte es sich um einen vierzehn Kilometer langen unterirdischen Gang, der teilweise mit Wasser gefüllt war. Dieser künstliche Kanal ermöglichte den Kohletransport mit Schiffen mehrere Dutzend Meter unter der Erde. Die eigentliche Revolution kam jedoch erst mit der Eisenbahnverbindung von Tarnowitzer Berge nach Berlin im Jahr 1846. Von da an war es eine industrielle Entwicklung nach amerikanischem Vorbild.

Die oberschlesische Industrie basierte jedoch hauptsächlich auf der Ungerechtigkeit der autochthonen schlesischen Bevölkerung. Viele Jahrzehnte lang waren die Bauern gezwungen gewesen, als Leibeigene in den Bergwerken ihrer Feudalherren zu arbeiten. Im Laufe der Zeit entstand hier ein Proletariat, das aus verschiedenen Gründen auf schreckliche Weise ausgebeutet wurde. Primitive Arbeitersiedlungen wurden errichtet. In ihrer modernisierten Form stehen viele von ihnen heute noch und werden "familoki" genannt. Die Autochthonen mussten Hunger, Armut und endlose Kinderbegräbnisse ertragen.

Im Laufe der Zeit kristallisierte sich ein spezifisches Ethos für die Arbeit im Bergbau und die damit verbundenen täglichen Bräuche heraus. Die Bergleute waren bestrebt, ihre eigenen Traditionen zu schaffen, die den Stolz auf ihren Beruf fördern sollten. Die bergmännischen Rituale boten auch die Möglichkeit, sich zu entspannen und die Beziehungen zwischen den Bergleuten zu stärken. Paradoxerweise werden diese preußischen Bräuche auch heute noch von den Bergleuten gepflegt.

So unterliegt beispielsweise die Verabschiedung eines Bergmanns, der zur Arbeit in die Grube fährt, einem streng festgelegten Ritual. Vor der "Schicht" soll der Bergmann zum Abschied sagen: "Bleibt bei Gott", worauf die Familie antwortet: "Dann komm glücklich wieder". Bergleute, die sich während der Arbeit auf dem Grund der Grube befinden, grüßen sich gegenseitig mit den Worten "Grüß Gott".

Die Rituale des Bergbaus sind tief in die katholische Religion eingebettet. Die Verehrung der Heiligen Barbara ist zu einem Symbol der Bergbautraditionen geworden. Sie ist die Schutzpatronin aller Bergleute, und eine Statue von ihr nimmt einen besonderen Platz in den Zunfthallen der Bergwerke ein. Noch heute verneigt sich jeder Bergmann vor der Heiligen Barbara, bevor er "abfährt".

Der wichtigste Tag des Jahres für einen Bergmann ist der vierte Tag im Dezember, der Tag der Heiligen Barbara. Er wird heute gemeinhin als Tag des Bergmanns bezeichnet. Für jeden Bergmann begann dieser Tag mit einer Messe, an der auch die Bergmannskapelle und die Bergmannschöre aktiv teilnahmen. Nach der Messe feierten die Bergleute den "St. Barbara-Tag" am liebsten mit anderen Bergleuten bei organisierten Festen, aber auch zu Hause mit der Familie oder mit Personen, die nichts mit dem Bergbau zu tun hatten.

Bereits in der preußischen Zeit gab es eine sehr starke Bewegung zur Bildung verschiedener Musikgruppen mit bergmännischen Akzenten. Sie wurden hauptsächlich auf Initiative von Amateurmusikern gegründet. An den wichtigsten Arbeitsplätzen wurden Ensembles errichtet, und die oberschlesische Region war mit einem Netz von Blaskapellen überzogen. Auch Chöre wurden geschaffen. Anfangs wurden vor allem religiöse Lieder gesungen, aber mit der Zeit auch einige zum Thema Bergbau komponiert. Die musikalischen Ensembles stärkten den Zusammenhalt unter den Bergleuten. Diese Tradition setzt sich bis heute fort. Oberschlesische Chöre und Blaskapellen führen ihre Lieder bei wichtigen Feierlichkeiten für die Bergarbeiterschaft auf.

Blaskapellen spielten ihre Musik meist in Bergmannsuniformen. Diese wurden 1795 von Graf Friedrich Wilhelm Reden eingeführt. Die Bergmannsuniform wurde in erster Linie als Uniform zum Feiern und zur feierlichen Kennzeichnung von Bergmannsfesten sowie zur Erfüllung von Dienstpflichten geschaffen. Die Bergmannsuniform wurde nie für die Arbeit unter Tage verwendet, sondern sollte bei verschiedenen bergmännischen Festen zur Pflicht werden.

Die Uniform hatte die Form eines Fracks, der je nach Funktion im Bergwerk stark variierte. Für die Vorarbeiter waren weiße Hosen und ein schwarzer Federbusch mit roter Spitze reserviert. Den Angestellten hingegen wurde eine schwarze Hose mit roten Einsätzen und eine halbrunde Mütze angeboten. Für den Bergbauingenieur war eine marineblaue Uniform mit karmesinrotem Besatz und Verzierungen reserviert. Der Bergbaudirektor musste eine spezielle allgemeine Uniform tragen, zu der auch eine Pirogge gehörte. Die Studenten waren verpflichtet, ausschließlich marineblaue Kleidung zu tragen. Im Gegensatz zu anderen Bergbauklassen mussten sie nur einen Chako, eine Art Zylinder ohne Feder, auf dem Kopf tragen. Im Laufe der Jahre wurden der Uniform viele militärische Elemente hinzugefügt.

Gegenwärtig wird die Bergbauuniform von allen Bergleuten getragen, die einen Rang innehaben. Das auffälligste Symbol der Uniform ist natürlich der Federschmuck: grüne Federn gehören den Direktoren und Generaldirektoren, weiße den Bergbauaufsehern (Ingenieuren und Technikern), schwarze den einfachen Bergleuten und rote den Orchestermusikern.

Es war besonders beliebt, diese Uniformen bei allen Arten von Bergfestów (Bergfesten) zu tragen. Wie der Name schon sagt, stammt auch diese Tradition aus der preußischen Zeit. Es handelte sich dabei um feierliche Feste, zu denen die Familien der Bergleute eingeladen wurden. Die Bergfeste begannen in der Regel mit einem Gottesdienst, an dem die gesamte Belegschaft teilnahm, um den christlichen Charakter der Arbeitsstätten zu betonen. Am Nachmittag hingegen wurden Tanzveranstaltungen organisiert. Besonders beliebt waren die Bergfeste bei Kindern, für die altersgerechte Aktivitäten organisiert wurden. Für die jüngste Generation war es auch eine Möglichkeit, in die Bergbaugemeinschaft hineinzuwachsen. Bergfeste werden auch heute noch veranstaltet.

Das war auch ganz natürlich, denn der Beruf des Bergmanns wurde in den Bergmannsfamilien seit Generationen weitergegeben. Deshalb wurde der Bergbau über Jahrhunderte als Ernährer der schlesischen Familien bezeichnet.

Die Bergbautraditionen waren die Grundlage der Identität dieser Gemeinschaft. Sie vermittelten ein Gefühl der Verwurzelung, der Zugehörigkeit und sogar der Weltordnung. Damit verbunden war auch der Glaube an die Einzigartigkeit dieses Berufes.

Der Klimawandel zwingt zur Abkehr von Kohle und zur schrittweisen Schließung aller Bergwerke. Dann werden Bergfeste und Uniformen mit Federn nur noch eine Art Freilichtmuseum sein und die Bergbautraditionen in den Tiefen der Geschichte versinken, wie das legendäre Atlantis.

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Julia Umywalnik