Straßen bilden unsere Identität

Natalia Klimaschka möchte, dass es in Ratibor eine Ogerman Straße gibt

Die Straßen in Ratibor wurden früher nach Bürgern, die die Geschichte der Region in irgendeiner Weise beeinflusst haben, benannt. Nach 1945 wurden viele Namen dieser Straßen geändert und Menschen gewidmet, die häufig selbst nie etwas von der Stadt gehört haben. Es wäre höchste Zeit, dass sie wieder nach berühmten Ratiborern, wie zum Beispiel Claus Ogerman, benannt werden.

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Ratibor hat seit dem 12. Jahrhundert eine stolze Geschichte, die von Menschen geschaffen wurde, die die Stadt liebten, sie bauten und in ihr starben. Andere schlugen ihre Wurzeln in anderen Teilen der Welt, wurden dort berühmt und jetzt kann ihre Heimatstadt auf sie stolz sein.

Heute können wir Ratiborer als Erbärmliche und Edle, Kluge und Dumme, Durchschnittliche und Hervorragende klassifizieren. Es spielt eigentlich keine Rolle mehr, ob es sich um Deutsche, Polen oder Österreicher handelt. Wichtig ist, wer sie waren und was sie erreicht haben. Die herausragenden Persönlichkeiten sollten Namensgeber der Ratiborer Straßen sein und somit einen Beitrag zur Gestaltung der regionalen Identität leisten. 

Einer der bemerkenswertesten Söhne dieser Stadt, der auf jeden fall seine eigene Straße verdient, ist zweifelsohne Claus Ogerman. Er wurde am 29. April 1930 in Ratibor als Sohn von Johann (Hans) Ogermann und Emma geb. Wrazidlo zur Welt gebracht. Claus starb am 8. März 2016 in München. Während seiner Kariere arbeitete er mit Jazzstars wie Frank Sinatra, Bill Evans, Billie Holiday, Stan Getz und Barbra Streisand zusammen.

Der Vater von Claus, Johann, leitete vor dem Zweiten Weltkrieg in Ratibor die berühmten Fotoläden: "Helios" und "Am Ring". Die Familie musste nicht nur ein Gespür für Fotografie, sondern auch für Musik gehabt haben, denn der Senior plante auch ein Schallplattengeschäft zu gründen. Privat investierte er viel Geld für die Anschaffung von ca. 8.000 Schallplatten. Aus den Plänen, einen Laden zu eröffnen, wurde jedoch nichts.  Dank dem konnte der kleine Claus bereits die unterschiedlichsten musikalischen Werke hören, darunter auch solche, die von den Nazis verboten waren. Unter denen waren die Werke von Louis Armstrong, Duke Ellington oder die neoklassische Musik von Igor Strawinsky. Der junge Ogerman nahm auch Klavierunterricht. Gelehrt wurde er durch Richard Ottinger der ein 1879 in Langenbielau geborener Musiklehrer und Dirigent war. Er übernahm nach dem Ersten Weltkrieg die Leitung der Ratiborer Singakademie und wurde später Dirigent der "Liedertafel 1834 Ratibor".

Seine Jugendjahre in Ratibor wurden durch den Einmarsch der Roten Armee unterbrochen. Claus Ogerman war zu diesem Zeitpunkt fünfzehn Jahre alt. In einem Interview gab er zu, dass sich damals die schlimmsten Ereignisse im Leben seiner Familie abspielten. Sein Vater wurde am Ende des Krieges im Alter von 60 Jahren zum Volkssturm gezwungen und von seiner Familie getrennt. Der Rest der Familie entschloss sich, vor der Front zu fliehen, die sich Ratibor annäherte. Unglücklicherweise verstarb während der Flucht vor der Roten Armee seine Mutter. Wie er selbst Jahre später erinnerte: "Sie konnte es körperlich nicht mehr ertragen, ihr Gepäck zu tragen. Sie war vollkommen erschöpft. Sie starb und wir ließen sie am Straßenrand zurück. Wir mussten weiter. Gemeinsam mit meiner älteren Schwester und einem meiner älteren Brüder gingen wir in die Ferne. Wir sind etwa 600 Meilen mit Gepäck gelaufen und haben dann in der Nähe von Prag einen Zug erwischt, mit dem wir nach Bayern fuhren. Das Land war, zum Glück von amerikanischen Truppen, besetzt. Dann begann das Leben irgendwie wieder, aber unter unglaublichen Umständen. Mein Vater hat uns schließlich über das Rote Kreuz gefunden. Er saß irgendwo in einem Gefangenenlager".

Infolge des Krieges verlor der Vater nicht nur seine Frau und Mutter, sondern auch sein gesamtes Vermögen, das er in Ratibor zurückgelassen hatte. Das Schicksal der Verwandten und Freunde der Familie gestaltete sich unterschiedlich. 

Sein Klavierlehrer Ottinger,  wie viele andere deutsche Schlesier, wollte in nun polnischen Ratibor bleiben.  Nachhinein sollte er von der Miliz erschossen werden, weil er als Deutscher sich weigerte, Schlesien zu verlassen. Später widmete ihm sein Schüler Claus eines der Konzerte, die er selbst komponiert hat.

In Nürnberg, wo Ogermans Familie schließlich ankam, konnte er seine Faszination für Jazzmusik entwickeln und nahm an mehreren Musikprojekten teil. Im Jahr 1959 wanderte er nach New York aus und machte dort eine große Karriere.

In den Vereinigten Staaten wurde er als "The Prussian" (zur Bezeichnung einer Person preußischer Herkunft) bekannt. Als Ogerman zum ersten mal  den berühmten Musiker Antônio Carlos Jobi traf, weigerte der sich mit dem Schlesier zusammenzuarbeiten. Er sollte Angst gehabt haben, dass Claus seine Lieder in preußische Marschmusik verwandeln würde.

Letztendlich veröffentlichten sie sieben Alben zusammen und entwickelten darüber hinaus eine tiefe Freundschaft. Der Ratiborer wurde durch seine Zusammenarbeit mit bekannten musikalischen Persönlichkeiten wie Frank Sinatra, Bill Evans, Billie Holiday, Stan Getz und Barbra Streisand weltweit bekannt. In den späten 1970er Jahren wurde  Claus Ogerman sehr selbstbewusst. Er lehnte sogar Angebote der Zusammenarbeit von Phil Collins, Michael Jackson und Prince ab. In seinen letzten Lebensjahren ließ er sich noch von Diana Krall zur Zusammenarbeit überreden. Die Ergebnisse davon sind auf dem Album The Look of Love zu hören, welches ihm 2010 eine Grammy Award brachte.

Ogerman hat zweifellos einen großen Erfolg in der Weltmusik erzielt. Für Jazz-Kenner ist er nach wie vor eine der größten Persönlichkeiten. In seiner Heimatstadt hingegen ist er völlig unbekannt. Dabei könnte er für viele junge Menschen eine Inspiration und ein Vorbild sein. Ogerman ist auch ein Beispiel dafür, dass ein Ratiborer im zwanzigsten Jahrhundert ein weltweit berühmter Musiker sein konnte. 

Es ist also höchste Zeit, dass eine Straße in Ratibor nach ihm benannt wird.

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Peter Karger