17.8.2021
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Wer braucht schon deutsche Bücher?

Überlegungen zum Thema Lesen in Oberschlesien

Bücher sind seit Jahrtausenden Symbole für kulturelle Kontinuität und intellektuellen Ehrgeiz. Das Interesse an einer bestimmten Literatur gilt seit immer als Indikator für nationale Identität. Man könnte erwarten, dass deutschsprachige Bücher in Oberschlesien sehr gefragt sind und dass bestimmte Kreise stolz darauf sind, sie in ihren Bücherregalen zu haben. Die Erfahrung hat diese Hoffnung jedoch nicht bestätigt.

silesia progress
Archwium Elizy Zawadzkiej

Bücher sind seit Jahrtausenden Symbole für kulturelle Kontinuität und intellektuellen Ehrgeiz. Das Interesse an einer bestimmten Literatur gilt seit immer als Indikator für nationale Identität. Man könnte erwarten, dass deutschsprachige Bücher in Oberschlesien sehr gefragt sind und dass bestimmte Kreise stolz darauf sind, sie in ihren Bücherregalen zu haben. Die Erfahrung hat diese Hoffnung jedoch nicht bestätigt.

Einer der wichtigsten Produzenten deutschsprachiger Bücher in der Region ist wahrscheinlich das Haus für deutsch-polnische Zusammenarbeit in Oppeln. Es veröffentlicht Bücher zu regionalen Themen, von denen sich viele an Jugendliche richten und gerne im Schulunterricht besprochen werden. Zweisprachige Comics zu regionalen Themen, wie z.B. "Das schlesische Aschenputtel" und "Die schlesischen Aufstände", erfreuen sich großen Interesses.

Allerdings sind es die kostenlosen Bücher, die am häufigsten mit nach Hause genommen werden. Das haben wir zumindest erlebt, als wir das Team des „Hauses“ begleiteten, das seine Bücher auf dem Dorffest in Kreuztal verkaufte. Das Haus-Angebot ist verfügbar unter https://hausbooks.pl.  

Wenn jedoch deutschsprachige Bücher auf dem freien Markt angeboten werden, gibt es fast kein Interesse an ihnen. Diejenigen, die bezahlt werden müssen, liegen auf Stapeln und spuken in Lagern herum. So düster schätzt der Verleger und Buchhändler Peter Długosz die Leserschaft deutschsprachiger Bücher ein. Er behauptet, dass er in den letzten 12 Jahren in der Region Oppeln nur ein einziges Exemplar eines Buches in deutscher Sprache verkauft hat. Bücher in dieser Sprache wurden in Städten wie Kattowitz, Hindenburg, Beuthen oder Ruda O.S. häufiger verkauft, obwohl sie immer noch selten waren. Man hat den Eindruck, dass die Autochthonen nicht über ausreichende Sprachkenntnisse verfügen, um frei auf Deutsch zu lesen. Und sie unternehmen keine besonderen Anstrengungen, um dies zu ändern.

Der Buchhändler weist darauf hin, dass zweisprachige Bücher beliebter sind. Zu den Herausgebern dieser Bücher gehören die Stiftung Oberschlesisches Kultur- und Begegnungszentrum in Lubowitz und der Verlag „Śląsk“ in Kattowitz. Auch die Positionen dieser Produzenten sind sehr gefragt.

Peter Długosz hingegen verkauft Tausende von Büchern in schlesischer Transkription. Also in einer Sprache, die es theoretisch gar nicht gibt, die aber trotzdem viel gelesen wird. Ein hervorragendes Beispiel ist "Kōmisorz Hanusik" von Marcin Melon, das in 12 Auflagen nachgedruckt und viele tausend Mal verkauft wurde. Der Online-Buchladen von Peter Długosz ist zu finden unter https://www.silesiaprogress.com/.

Der freie Markt ist das zuverlässigste Kriterium für die Bewertung sozialer Phänomene. Die Autochtonen zeigen mit ihrem eigenen Geld, was ihnen wichtig ist, was ihre kulturellen Sehnsüchte sind. Und so gesehen hat man den Eindruck, dass die Sehnsucht nach deutscher Kultur in diesem Umfeld nicht besonders stark ist.

Eliza Zawadzka

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Natalia Klimaschka